Wie jedes Jahr wurde auch im Januar 2025 der deutsche Mindestlohn angepasst. Die Erhöhung auf 12,82 Euro pro Stunde fiel mit rund 40 Cent jedoch eher gering aus. Damit bleibt der Mindestlohn weiterhin unter den EU-Richtlinien, die ein armutsfestes Einkommen fordern. Dies bedeutet, dass eine Vollzeitstelle mit mindestens 60 % des Medianeinkommens vergütet werden müsste – in Deutschland wären das aktuell über 14 Euro und im kommenden Jahr mehr als 15 Euro pro Stunde. Dennoch setzte sich bei der letzten Entscheidung die konservativ-neoliberale Mehrheit in der Mindestlohnkommission durch und verhinderte eine stärkere Anhebung. Welche Folgen diese Entwicklung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber im nächsten Jahr hat, erfahren Sie im Folgenden.
Bruch von EU-Recht?
„Arm trotz Arbeit“, „Arbeit muss sich lohnen“ oder „Working Poor“ – diese Terme sind weithin bekannt und für rund sechs Millionen Menschen in Deutschland Realität. Diese Bürger arbeiten in Vollzeit, verdienen jedoch nicht genug, um vor Armut geschützt zu sein. Dies steht im Widerspruch zu EU-Richtlinien, nach denen Arbeitnehmer von ihrem Gehalt ihr Leben leben bestreiten können müssen, ohne armutsgefährdet zu sein.
EU-Richtlinien und nationale Kompetenzen
Die Umsetzung dieser EU-Vorgaben würde in Deutschland eine Anhebung des Mindestlohns um etwa zwei Euro bedeuten – auf 14 bis 15 Euro pro Stunde, wie neben vielen anderen auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert. Doch ob es dazu kommt, bleibt ungewiss. Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Athanasios Emiliou, äußert im Kontext des Verfahrens, das Dänemark gegen die EU angestrengt hat, dass die Festlegung von Mindestlöhnen in die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten, falle. Sollte der EuGH der Einschätzung Emilious folgen, dürfte dies auch die nächste Entscheidung der deutschen Mindestlohnkommission beeinflussen.
Engagement für faire Löhne
Als B-Corp-zertifiziertes Unternehmen setzt sich Yousign aktiv für Arbeitnehmerrechte und eine angemessene Entlohnung ein.
Makroökonomische Perspektive: Mehr als nur Kosten
Die makroökonomische Dimension des Mindestlohns wird insbesondere von Arbeitgeberseite oft übersehen oder ausgeklammert. Dabei bedeutet ein höherer Mindestlohn nicht nur Kosten, sondern auch eine steigende Nachfrage innerhalb einer Volkswirtschaft.
Ein höherer Mindestlohn stärkt die Kaufkraft, erhöht die Inlandsnachfrage und kann dadurch das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Etwas, was gerade in Zeiten von Rezession und wirtschaftlicher Schwäche in Deutschland notwendig wäre. Unternehmen sollten daher nicht allein die unmittelbaren Lohnkosten beachten, sondern auch die positiven Effekte auf Konsum und Marktstabilität. Langfristig kann eine abgeflachte Lohnhierarchie dabei helfen, wirtschaftliche Krisen abzumildern und die Konjunktur zu beleben.
Statt sich gegen höhere Löhne zu stellen, sollten Unternehmen aktiv für eine faire Entlohnung eintreten – denn letztlich profitieren auch sie von einer soliden Wirtschaft. Gerade weil Bezieher niedriger Löhne den Großteil ihres Einkommens unmittelbar ausgeben, wirkt ein höherer Mindestlohn wie eine Konjunkturspritze. Sparen ist für diese Einkommensgruppe kaum möglich – jeder zusätzliche Euro fließt direkt in Miete, Lebensmittel, Kleidung und andere Grundbedürfnisse. Dies stärkt die Realwirtschaft und sorgt für eine höhere Nachfrage in zahlreichen Branchen.
Mindestlohnkommission: Ein neutrales Gremium?
Die Festlegung des Mindestlohns in Deutschland obliegt der Mindestlohnkommission. Oft wird sie als Argument angeführt, um politische Einflussnahme auf die Lohnuntergrenze zu vermeiden. Doch ihre Entscheidungen sind keineswegs frei von politischer Färbung – sie orientieren sich häufig an konservativen und neoliberalen Positionen. Besonders der wirtschaftsliberale Ökonom und Berater der Kommission, Lars Feld, setzt sich dabei gemeinsam mit den Arbeitgebervertretern durch.
Auf die Seite der Arbeitgebervertreter hat sich bei der letzten Entscheidung, die einen Eklat verursacht hat, die Präsidentin der Kommission, Christiane Schönefeld, geschlagen. Mit ihrer Stimme stellte sie eine Mehrheit für die unterdurchschnittliche Anhebung des Mindestlohnes her.
Neue Geschäftsordnung der Mindestlohnkommission
Die überarbeitete Geschäftsordnung regelt das Abstimmungsverfahren nun detaillierter. Zwar bleibt es möglich, dass eine Seite mit der Stimme der oder des Vorsitzenden überstimmt wird, jedoch erst nach einer Reihe von Verfahrensschritten. In diesen soll zunächst intensiv versucht werden, einen Konsens zu erzielen. Auch sollte künftig bei der Festlegung des Mindestlohns der Wert von 60 % des Medianlohns stärker berücksichtigt werden. Allerdings bleibt die Arbeitgeberseite im Vorteil, da wie beschrieben, das Präsidium weiterhin Entscheidungen überstimmen kann. Die nächste Anpassung des Mindestlohns wird im Juli dieses Jahres beschlossen und tritt im Januar 2026 in Kraft.
Hoher Mindestlohn, weniger Jobs?
Dieser Mythos wurde mit der Einführung des Mindestlohns in Deutschland mit einem Schlag widerlegt. Jahrzehntelang haben konservative und neoliberale Kritiker gewarnt, dass ein gesetzlicher Mindestlohn Jobs kosten und Unternehmen zerstören würde. Doch nichts dergleichen ist geschehen. Es stellte sich heraus, dass diese Befürchtungen unbegründet waren und die Äußerung solcher Ängste - so mutmaßen zumindest manche - gut vergütet wurde.
Ein Blick in die Statistik zeigt, dass in den Jahren nach 2015 mehr Unternehmen vakante Arbeitsplätze gemeldet haben als zuvor. Die Nachfrage nach Arbeit ist also gestiegen, nicht gesunken, obwohl die Arbeit teurer geworden ist. Dies sollte manchem Ökonomen zu denken geben, der höhere Löhne einzig als Kosten begreift.
Höhere Produktivität?
Höhere Löhne, dies ist oft beobachtet worden, führen zu einer gesteigerten Produktivität. Nicht nur in dem Sinn, dass gut bezahlte Mitarbeiter besser arbeiten, sondern aufgrund des Automatisierungsdrucks. Dies bedeutet schlicht: Ein Unternehmen, das seinen Angestellten hohe Löhne bezahlt, wird versuchen, so viel Arbeit wie möglich von Maschinen und Computern übernehmen zu lassen. Bei zu geringen Löhnen entfällt dieser Anreiz und Arbeitnehmer werden mit der Bearbeitung niedere Aufgaben betraut, anstatt diese zu automatisieren.
Auch die Deutsche Bank kritisiert den unzureichenden Anstieg der Löhne. Als direkte Folge des unzureichenden Lohnwachstums führt sie geringe Investitionen von Unternehmensseite und geringe Produktivitätszuwächse seit 1990 an.
So schreibt die Deutsche Bank:
"Studien zeigen, dass steigende Löhne die Produktivität sogar verbessern. Demnach führen höhere Lohnkosten zu einem höheren Effizienzdruck, Automatisierung und Innovationen werden vorangetrieben. Arbeitgeber müssten mehr als zuvor danach schauen, wie sie teurere Arbeitnehmer effizienter einsetzen."
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Gesunde Unternehmen?
Oft wird auch das Argument vorgebracht, dass manche Unternehmen möglicherweise nicht im Stande seien, ihren Angestellten 14 oder 15 Euro pro Stunden zu zahlen und durch einen höheren Mindestlohn in Bedrängnis kämen. Dem könnte man entgegenhalten, dass das Geschäftsmodell eines Unternehmens, welches seinen Arbeitnehmern keinen armutssicheren Lohn zahlen kann, nicht rentabel genug ist, um dessen Existenz zu rechtfertigen. Wer nicht konkurrenzfähig ist, verschwindet eben vom freien Markt, was kein Verlust sein muss. Denn die freigestellten Arbeitnehmer stehen dann kompetenteren Unternehmen zur Verfügung.
Die Rolle der Bundesregierung
Der Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat im September eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns bis auf 15 Euro gefordert. Kritik kam von Arbeitgeberseite, Zustimmung von den Gewerkschaften. Generell ist gesetzlich geregelt, dass die Mindestlohnkommission zuständig für die Festlegung des Mindestlohns ist. Die Kommission kann allein Vorschläge abgeben, diese müssen von der Bundesregierung aber unverändert umgesetzt werden. Allerdings gibt es auch Wege für die Bundesregierung, einen Mindestlohn nach ihren Vorstellungen festzulegen. Dies ist am 1. Oktober 2022 geschehen, als der Mindestlohn per Gesetz von der Bundesregierung auf 12 Euro angehoben wurde.
Ausnahmen beim Mindestlohn
Anders als weithin angenommen, gilt der gesetzliche Mindestlohn nicht für alle Arbeitenden in Deutschland. Selbstständige, Gewerbetreibenden oder Freiberufler sind davon ebenso ausgenommen wie Auszubildende, Langzeitarbeitslose und Praktikanten.
Praktikanten oder Auszubildende sind davon nur temporär betroffen, doch gerade bei Solo-Selbständigen und Freiberuflern können sich prekäre Entlohnungen über lange Phasen des Berufslebens ziehen. Auch nutzen einige Unternehmen diese Gesetzeslage aus, um Angestellte in Scheinselbstständigkeiten beschäftigt zu halten, um den Mindestlohn zu umgehen.
Auswirkungen auf die Rentenversicherung
Ein höherer Mindestlohn führt zu höheren Beiträgen in die Rentenversicherung, was langfristig zu einer Entlastung der Rentenkassen beiträgt. Arbeitnehmer, die mehr verdienen, zahlen auch mehr in die gesetzliche Rentenversicherung ein und haben später Anspruch auf eine höhere Rente.
- Mehr Einnahmen für die Rentenkasse: Durch höhere Löhne steigen die Sozialversicherungsbeiträge.
- Höheres Rentenniveau: Arbeitnehmer erhalten im Alter eine bessere finanzielle Absicherung.
- Schutz vor Altersarmut: Menschen mit geringen Einkommen profitieren langfristig von höheren Rentenzahlungen.
Fazit: Mindestlohn, Rentenversicherung und soziale Gerechtigkeit
Die aktuelle Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland bleibt hinter den Anforderungen der EU-Richtlinien zurück und verhindert eine armutsfeste Entlohnung für Millionen von Arbeitnehmern. Die Entscheidung der Mindestlohnkommission, den Mindestlohn auf 12,82 € pro Stunde anzuheben, spiegelt eher wirtschaftsliberale Interessen wider als eine gerechte Arbeitsmarktpolitik. Dabei ist längst erwiesen, dass höhere Mindestlöhne nicht zu Arbeitsplatzverlusten führen, sondern sogar die Inlandsnachfrage stärken und zur wirtschaftlichen Stabilität beitragen.
FAQ zum gesetzlichen Mindestlohn 2025
1. Wie hoch ist der gesetzliche Mindestlohn 2025?
Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland wurde im Januar 2025 auf 12,82 € pro Stunde erhöht. Diese Anhebung beträgt lediglich 40 Cent und bleibt damit unter den Forderungen vieler Gewerkschaften und EU-Richtlinien.
2. Warum ist die Erhöhung des Mindestlohns umstritten?
Die Mindestlohnkommission, die über die Anpassung entscheidet, orientiert sich stark an wirtschaftsliberalen Positionen. Kritiker bemängeln, dass der neue Mindestlohn nicht armutsfest ist und hinter den EU-Vorgaben zurückbleibt, die ein Einkommen von mindestens 60 % des Medianeinkommens fordern. Dies würde in Deutschland einem Stundenlohn von mindestens 14–15 € entsprechen.
3. Verstößt Deutschland mit dem niedrigen Mindestlohn gegen EU-Recht?
Laut den EU-Richtlinien soll der Mindestlohn Arbeitnehmern ein Leben ohne Armutsgefährdung ermöglichen. Der aktuelle deutsche Mindestlohn erfüllt diese Vorgabe nicht. Allerdings liegt die Festlegung von Mindestlöhnen in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) voraussichtlich bestätigen wird.
4. Welche Auswirkungen hat der Mindestlohn auf die Rentenversicherung?
Ein höherer Mindestlohn führt zu höheren Sozialversicherungsbeiträgen und damit zu einer Entlastung der Rentenkassen. Arbeitnehmer, die mehr verdienen, zahlen mehr in die Rentenversicherung ein und erhalten später eine höhere Rente. Ein zu niedriger Mindestlohn erhöht jedoch das Risiko von Altersarmut.
5. Schadet ein höherer Mindestlohn der Wirtschaft?
Nein. Makroökonomische Analysen zeigen, dass ein höherer Mindestlohn die Kaufkraft steigert und die Inlandsnachfrage stärkt. Dies kann die Wirtschaft ankurbeln, insbesondere in Zeiten einer Rezession.
6. Wer entscheidet über den Mindestlohn?
Die Anpassung erfolgt durch die Mindestlohnkommission, in der Vertreter von Arbeitgebern und Gewerkschaften sitzen. Die Mehrheit war zuletzt auf der Seite der Arbeitgeber, weshalb eine größere Erhöhung blockiert wurde.
7. Gibt es Ausnahmen vom Mindestlohn?
Ja. Der gesetzliche Mindestlohn gilt nicht für:
- Auszubildende
- Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten einer neuen Beschäftigung
- Praktikanten unter bestimmten Bedingungen
- Selbstständige und Freiberufler, die keinen gesetzlichen Anspruch auf Mindestlohn haben
8. Wann wird der Mindestlohn das nächste Mal angepasst?
Die nächste Anpassung des Mindestlohns wird im Juli 2025 beschlossen und tritt im Januar 2026 in Kraft. Ob dann eine stärkere Erhöhung erfolgt, bleibt abzuwarten.
9. Führt ein höherer Mindestlohn zu weniger Arbeitsplätzen?
Nein. Studien haben gezeigt, dass die Einführung des Mindestlohns in Deutschland keinen massiven Jobverlust verursacht hat. Vielmehr ist die Arbeitsnachfrage in vielen Bereichen gestiegen.
10. Was können Unternehmen tun, um faire Löhne zu unterstützen?
Unternehmen können sich für gerechte Löhne einsetzen, indem sie freiwillig einen höheren Stundenlohn zahlen. Unternehmen profitieren langfristig von motivierten Arbeitnehmern und einer gestärkten Kaufkraft der Bevölkerung.